Dr. Bernhard Huber-Stiftung
Bericht Juni 2019
Liebe Afrikafreunde,
Wolken ziehen an meinem Fenster vorbei und mit ihnen meine Gedanken. Ich befinde mich auf dem Rückflug von Swaziland nach Deutschland,
hoch über dem Mittelmeer, wo man nicht mitbekommt, was dort unten gerade geschieht: Flüchtlingsboote voller verzweifelter Menschen, die um
ihr Leben kämpfen. Viele von ihnen kommen aus Afrika.
Meine Gedanken wandern zwei Wochen zurück, als ich in Swaziland ankam. Zunächst hatte ich die Familie von Nokuphila besucht, die in einem
winzigen Raum lebt. Ich habe schon öfters von Nokuphila berichtet. Sie studiert und arbeitet gleichzeitig. Die Studiengebühren werden von uns
übernommen und ihre Familie mit Lebensmitteln und Kleidung versorgt. Ich fand ihre bettlägerige Großmutter Peggy, die gleich neben der Tür
auf einer Matratze liegt, mit großen Schmerzen am Bein vor. Sie sagte mir, dass sie vor vier Wochen im Krankenhaus war (schon die holprige Fahrt
dorthin auf der Ladefläche eines Kleintransporters war eine schmerzhafte Tortur für sie), wo man ein Röntgenbild anfertigte und sie mit einem
Schmerzmittel wieder nach Hause schickte. Sie zeigte mir die Aufnahme – diese zeigte sehr deutlich einen Oberschenkelbruch in Folge einer
fortgeschrittenen Osteoporose. Seither lag sie also unbehandelt und mit Schmerzen zu Hause. Im betreffenden Hospital versicherte mir der
zuständige Chirurg, er habe die Fraktur nicht übersehen, doch er könne nichts tun. Vor einigen Monaten waren im OP-Saal marode Deckenteile
herabgestürzt – seither suche man nach Spendern, um alles wieder aufzubauen. Ich konnte es nicht glauben, handelt es sich doch hier um ein
staatliches Krankenhaus! Auch in anderen Krankenhäusern könne Peggy frühestens in sechs Wochen operiert werden. Doch jeder weitere Aufschub
konnte Komplikationen in Form von Druckgeschwüren, Lungenentzündung oder Thrombosen bedeuten. Kurz entschlossen brachte ich Peggy in ein
privates Krankenhaus, wo ich die Kosten für die dringend notwendige Operation bezahlte. Dabei wurde eine weitere Oberschenkelfraktur auf der
anderen Seite entdeckt, die aber nicht so kompliziert war und mit einem Gipsverband versorgt werden konnte.
Hier wurde ich also Zeuge eines kollabierenden staatlichen Gesundheitssystems. Ganz ähnlich klingt die Geschichte des zweijährigen Jungen
namens Amuhle, dessen Mutter mich anrief und mich bat, ihren Sohn zu untersuchen, da er sehr krank sei. Er hatte hohes Fieber, Husten,
Durchfall und Erbrechen. Ich untersuchte den Jungen und stellte eine akute Lungenentzündung fest. Die Mutter erzählte mir, dass sie mit Amuhle
bereits im Krankenhaus gewesen sei, wo man sie – mangels Antibiotika – lediglich mit einem Fieber senkenden Mittel wieder nach Hause geschickt
hatte. Doch ohne Antibiotikum war das Kind in Lebensgefahr. Zum Glück konnte ich das lebensrettende Medikament für umgerechnet ein paar
Euro noch rechtzeitig in einer Apotheke besorgen. Zu unserer aller Freude erholte sich der Junge zusehends und ist jetzt wieder völlig gesund.
Diese zwei Schicksale haben mich sehr berührt. Es zeigt sich, dass für die Normalbevölkerung noch nicht einmal die medizinische Basisversorgung
gewährleistet ist. Bei einer ernsten Krankheit überleben die Reichen, und die Armen sterben – das ist die harte Realität hier in Swaziland. Als ich
vor mittlerweile 20 Jahren im Krankenhaus Hlatikulu arbeitete, hatten wir zumindest Basismedikamente wie Antibiotika zur Verfügung. Seither
hat sich die Situation im Land nicht – wie man annehmen
sollte – verbessert, sondern drastisch verschlechtert.
Ich habe noch viele andere Patienten behandelt und mit
notwendigen Medikamenten versorgt. Da
Infrastrukturmaßnahmen wie eine Brunnenbohrung dieses
Mal wegen einer defekten Bohrvorrichtung nicht realisiert
werden konnten, blieben mehr Ressourcen für die
Krankenbehandlung.
Im Waisenkinderdorf sind alle Kinder wohlauf und gesund.
Wir haben eine neue Mutter hinzubekommen, einerseits um
die Betreuung der Kinder weiter zu verbessern und
andererseits um den Müttern, die ja rund um die Uhr für
die Kinder präsent sind, ausreichende Ruhephasen zu
ermöglichen. Unseren Gemüsegarten haben wir erneut
erweitert und neue Gemüsesetzlinge gepflanzt. In einer
Schule haben wir für fast 200 Mädchen Binden für zwei
Monate ausgeteilt. So können periode-bedingte Fehlzeiten
in der Schule verringert werden. Darüber hinaus haben wir
wieder viele arme Familien mit Lebensmitteln und
Kleidung versorgt.
Was haben wir dieses Mal bei den „Big 5“ (Bildung,
Landwirtschaft, Infrastruktur, Gesundheit, Frauenprojekte)
erreicht?
1. Bildung
Die Kindergartengebühren für ein weiteres Kind wurden
übernommen. Einige Schuluniformen und Kleidung wurden
besorgt sowie diverse Schulmaterialien.
2. Landwirtschaft
Unser Gemüsegarten im Waisenkinderdorf wurde erweitert
und neue Pflanzensetzlinge gesetzt.
3. Infrastruktur
Das von uns gebaute Ein-Raum-Haus von Sibongile wurde
jetzt angestrichen.
4. Gesundheit
Hier lag dieses Mal wegen des desolaten
Gesundheitssystems unser Hauptaugenmerk. Ich
behandelte sehr viele Patienten und besorgte
Medikamente. Für Peggy wurden die Operationskosten
bezahlt.
5. Frauenprojekte
Unsere Hilfe für allein erziehende Mütter, die sonst keinerlei Hilfe bekommen, wurden von ausgeweitet und z. B. einige Möbel besorgt. An viele
Bedürftige verteilten wir wieder Lebensmittel, auch bei der Familie mit der behinderten Nthando. Da Nthando bettlägerig und inkontinent ist,
haben wir auch für sie eine abwaschbare Matratze besorgt.
Ihr seht – es gibt immer viel zu tun. Vielen Dank euch allen für eure Unterstützung. Schon mit vergleichsweise kleinen Geldbeträgen können wir
den Menschen effektiv helfen.
Ich werde in wenigen Monaten wieder in Afrika sein.
Herzliche Grüße